Ich bin als Jäger quasi ein „Autodidakt“, es gibt keine jagdliche Tradition in meiner Familie… -
meine Motivation die Jagdprüfung abzulegen? - hauptsächlich Fleisch!
Ich war stets - und bin jetzt erst recht: überzeugter Fleischesser. Ich war vermutlich schon „Jegana“, bevor ich den Begriff das erste Mal gehört hatte…
Schon als junger Erwachsener (mit 18 Jahren) nutzte ich selbstständig die Möglichkeit, Fleisch von den Bauern meiner Umgebung „ab Hof“ zu erwerben - und von der Jägerschaft meiner 1000 Seelen Heimatgemeinde im Salzburger Land! Ich bezog mein Fleisch „in der Decke“, ließ mir einmal kurz erklären wie man das Wildbret aus der Decke schlägt und bestritt fortan mit wenig Geld im Beutel meinen Eigenbedarf an frischem, hochwertigen Protein! Beinahe zwanzig Jahre vergingen bis ich auf die Idee kam, selbst einen Jagd Kurs zu besuchen und die Jägerprüfung abzulegen - nicht wissend, ob ich tatsächlich in der Lage wäre, ein Lebewesen zu erlegen, dieses aufzubrechen und dann ohne Vorbehalte zu essen… Als mein erstes Stück Rehwild am Anschuss vor mir lag, brach ich es einfach auf und sah darin nichts „grausliges“ – im Gegenteil:
Es war eine der natürlichsten Sachen der Welt…
Als ich dann mein erstes selbsterlegtes Stück Fleisch am Teller genießen durfte, war mir klar:
Besser gehts nicht! Ein gesundes, frei in der Natur lebendes Wesen, ohne Stress durch nichtartgerechte Haltung oder Transporte, ohne Antibiotika, ohne Plastik-Verpackung… mit Liebe und Respekt zur Strecke gebracht!
Heute bin ich am Ende meines neunten Jagdjahres angekommen. Dieses Jagd-Jahr ist ein ganz besonderes, intensives - und durchaus erfolgreiches Jahr. Ich verbringe viel Zeit im Wald. Der Jagdherr lässt mir viel Spielraum mich eigenverantwortlich, jagdlich zu entwickeln. Es gibt praktisch keine Einschränkungen innerhalb des Abschussplans… erstmals hab ich hier im Revier auch die Freigabe auf Rotwild! Ich hatte tatsächlich anderswo schon Jagdmöglichkeiten auf Rotwild in den letzten neun Jahren, aber es hatte bisher einfach nicht sein sollen… ich musste wohl lernen, dass man bei der Jagd nichts erzwingen kann, das Wild kommt zu einem wenn es soweit ist… und so war es heuer auch!
Auf die Gefahr hin, dass es übertrieben, gar kitschig klingt - aber ich hatte tatsächlich in der Nacht davor geträumt einen Hirsch zu erlegen! Dennoch fuhr ich an diesem Nachmittag ohne große Erwartungen ins Revier.
Es ist Freitag, Büroschluss 16:00 Uhr, etwa 45 Minuten Fahrzeit, es wird schon früh dunkel Anfang Oktober und so bleibt noch wenig Zeit nach der Arbeit für Revierarbeit, Schwarzwild-Kirrungen kontrollieren, Abschussplan „erfüllen“… Egal, Hauptsache erstmal weg vom Bildschirm, raus in den Wald, - die „Maschine langsam runterfahren“ nach einer stressigen Arbeitswoche einstimmen auf Erholung und Entspannung - zurück zur Natur - auch darum gehts bei der Jagd! Nach der „Revier-Runde“ bleibt gerade mal eine knappe Stunde bis Sonnenuntergang, plus 1 Stunde Büchsenlicht ist eher Theorie, sauber ansprechen geht vielleicht noch 20-30 Minuten nach Sonnenuntergang, dann ist der Jagdtag vorbei…
Ich entscheide mich aus dem Bauch heraus für den Ansitz bei „Helle Hirsch“, eigentlich wie der Name sagt ein Rotwild Wechsel, aber ich konnte hier letztes Jahr Jährlingsbock und Schmalreh erlegen - und insgeheim hoffte ich doch auch auf Rotwild-Anblick (im Mai zog hier schon ein Schmalspießer aus dem Holz, damals war er aber noch nicht frei…). Der Wind wehte passend aus Westen.
Gegen 18:30 Uhr schien ein frischer Wetterwind aufzukommen, es wurde ungemütlich am offenen Sitz. Ich dachte schon daran abzubaumen und mein Glück besser am nächsten Tag zu versuchen. Es war bereits kurz nach Sonnenuntergang und dicht bewölkt, also höchstens noch eine halbe Stunde Licht um ggf. Kitz von Geiß sauber unterscheiden zu können - also zusammenpacken, bringt eh nix mehr heute… - aber vorher routinemäßig ein letztes Mal die Schläge abglasen… und wie schon so oft beim letzten Blick durchs Glas:
Bewegung! Dort zieht ein Stück heraus - es ist tatsächlich Rotwild, eindeutig ein Spießer! Und da, noch ein zweites Stück - noch ein Spießer…. ich kann es kaum glauben, sollte es heute tatsächlich soweit sein dass ich erstmals Rotwild erlegen darf? Ich tausche mit ruhigen Bewegungen Glas gegen Büchse und bringe das erste Stück ins Absehen. Der regelmäßige Umgang mit der Waffe und die unzähligen Schüsse am Schießstand und bei Bewerben machen sich bezahlt. Trotz der Aufregung beim Anblick und des einschießenden Adrenalins bleibe ich ruhig und besonnen, konzentriere mich darauf die beiden Spießer nicht aus dem Glas zu verlieren. Ich muss mich für einen der beiden entscheiden, habe nur noch wenige Minuten bis das Licht schwindet. Es geht schließlich darum, ein Leben zu nehmen, möglichst ohne Leid und Qual, schnell und schmerzfrei! Keine Zeit für einen schlampig ausgeführten Schuss! Kontrolliere Atmung und Puls, langsam und präzise… im Zweifel bleibt der Finger immer lang und die Kugel im Lauf! Die beiden jungen Hirsche berühren sich ab und zu spielerisch mit ihren noch im Bast stehenden Spießen… Sie stehen jetzt nur wenige Meter hintereinander, der Vordere etwas unterhalb in einer Senke ich entscheide mich deshalb für das hintere Stück weil sonst die Gefahr von Verletzung durch Splitter für den anderen besteht. Beide stehen in Blickrichtung zu mir, ich muss warten bis sich der eine hoffentlich breit stellt, ich will nicht in den Brustspitz schießen, das Wildbret soll nach Möglichkeit zu 100% genutzt werden können…
Die Schuss-Entfernung ist exakt 100m, also Fleckschuss-Distanz meiner Steyr im Kaliber 30-06, keine Korrektur nötig, das rote „+“ des Absehen ruht auf dem Träger, er bewegt sich nicht, ich erhöhe langsam den Druck auf den Abzug - der Schuss bricht glasklar. Ich sehe dank Mündungsknalldämpfer durchs Feuer wie der jugendliche Hirsch im selben Moment zusammenbricht und nur kurz schlägelt. Spießer liegt, Weidmannsheil!
Der zweite Spießer bleibt seelenruhig stehen und sichert in meine Richtung ohne jegliche Fluchtreaktion! Ich habe inzwischen eine neue Patrone in die Kammer repetiert, die Waffe gesichert und bleibe weiter im Anschlag um beobachten zu können ob der Getroffene auch wirklich verendet liegenbleibt… - sicher ist sicher!
Es vergehen lange zehn Minuten und es wird inzwischen dunkel, gerade noch Büchsenlicht – der „Kollege“ steht noch immer da und wartet offenbar, dass der tödlich Getroffene aufsteht… Es war mir ein Spießer freigegeben, also dachte ich nicht daran auch den zweiten zu erlegen. So hatte ich gehofft, dass dieser bald zurück in den Einstand zieht damit ich unbemerkt zum Anschuss gehen kann - ich begann also zu improvisieren und versuchte das Röhren eines größeren Hirsches zu imitieren - in der Hoffnung dass er davon beeindruck die Bühne verlässt - ohne Erfolg.
Da es inzwischen dunkel war, beschloss ich nun doch langsam zum Anschuss zu gehen - tatsächlich zog der Geschonte ins Holz zurück und ich merkte am Weg zur Beute, wie unwegsam dieser war (letztes Jahr wurde dort der Revier Jeep versenkt beim Versuch einen großen Hirsch zu bergen!) Die vermeintlich ebene Waldlichtung entpuppte sich als durchaus hindernisreiche Sumpflandschaft mit hüfttiefen Wasserlöchern und verwachsenen Baumstümpfen… Trotz markanter Geländepunkte und sicherer Kenntnis wo der Spießer liegen musste, dauerte meine Nachsuche etwa 10 Minuten.
Mittlerweile tat das Adrenalin seine Wirkung. Ich spürte wie die Anspannung von mir abfiel und war überglücklich als ich den einjährigen Rothirsch in Besitz nehmen konnte. Ein kleiner Spitz war wohl durch den Fall von einem Spiess abgebrochen. Ich zog den Hirsch an den Läufen auf die rechte Seite und strich ihm ein letztes Mal über die noch warme Decke. Die Kugel saß dort wo sie sollte. Ich brach einen Tannenzweig und gab ihm den letzten Bissen. Dann markierte ich die Anschuss-Stelle mit einem Knicklicht (…es leuchtet blau…) und ging zum Auto bis ich endlich ausreichend Handy-Empfang hatte um den Jagdherren über mein Weidmannsheil zu informieren und ihn zu bitten mir beim Bergen zu helfen - alleine hätte ich mit den leblosen 60-70 Kilo sicher Stunden gebraucht für die 100m zum Fahrweg…
Die Freude über mein Jagdglück war umso größer, als ich sie mit Gleichgesinnten teilen konnte! Der Jagdherr sagte mir am Telefon selbstverständlich seine Hilfe zu und erschien recht bald mit seinem erwachsenen Sohn. Viele Hände sind bekanntlich der Arbeit schnelles Ende und zu dritt konnten wir den Spießer recht zügig zur Straße tragen (der Junior machte noch unerwartet Bekanntschaft mit einem tiefen Wasserloch.) …
Der Jagdherr bestand darauf das Stück selbst aufzubrechen und überreichte mir dann traditionell und sehr herzlich den „Erleger-Bruch".
Gelebte Tradition ist bei der Jagd was schönes, wenn sie ehrlich gemeint und echt ist: der letzte Bissen um der erlegten Kreatur seinen Respekt zu erweisen und Danke zu sagen, der Erleger Bruch vom Jagdherren als Anerkennung für die gute, erfolgreiche Jagd. Daran ist nichts falsches oder verstaubtes wenn es vom Herzen kommt. „Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht das aufbewahren der Asche…“ - heißt es so doch so richtig.
Es fühlte sich in diesem Moment einfach richtig an!
Genauso wie ein erfrischender Schluck den man dann in familiärer Runde gemeinsam auf das Weidmannsheil trinkt!
Euer Daniel